Bei vielen Unternehmen steht ein Wechsel auf SAP S/4HANA und ein Umzug des ERP-Systems in die Cloud an. Das erhöht auch die Anforderungen an das Testen. Unternehmen brauchen eine Quality Assurance- und Business Assurance-Strategie, die mit den schnellen Innovationszyklen der Cloud mithalten kann. Ohne Testautomatisierung lässt sich das nicht meistern.
Unternehmen verlagern immer mehr Workloads in die Cloud und entwickeln Cloud-native Anwendungen. Die Corona-Krise hat diesen Trend noch beschleunigt. Laut IDC steigen 80 Prozent der Unternehmen doppelt so schnell auf eine Cloud-zentrierte IT um als vor der Pandemie. Auch SAP verfolgt mittlerweile eine Cloud-First-Strategie. Mit dem Launch der SAP Business Technology Plattform (BTB) hat sich das Unternehmen von einem ERP-Hersteller zu einem Anbieter gewandelt, der eine vollumfänglich Cloud-fähige digitale Transformation unterstützt. Kern der neuen Architektur ist SAP S/4HANA, das mit verschiedensten Cloud-Erweiterungen zusammenspielt. Das können sowohl SaaS-Lösungen für bestimmte Unternehmensfunktionen sein, etwa Ariba für die Beschaffung oder SuccessFactors für das Personalwesen, als auch benutzerdefinierte Services, die auf SAP BTB oder Plattformen wie Microsoft Azure, AWS oder GCP aufbauen.
Spätestens 2027, wenn SAP den Mainstream-Support für das bestehende SAP ECC einstellt, steht für die meisten Kunden ein Wechsel auf SAP S/4HANA an. Das neue System ermöglicht mit seiner hochperformanten In-Memory-Datenbank Datenanalysen in Echtzeit und bringt viele weitere wertvolle Vorteile.
33,1 Prozent der Unternehmen setzen S/4HANA bereits ein, so eine globale Studie von Sogeti, Tricentis und Capgemini. Von den Verbleibenden haben 91 Prozent entweder schon mit der Migration begonnen oder planen diese innerhalb der nächsten 24 Monate. Viele entscheiden sich dafür, auch ihr ERP-System in die Cloud zu verlagern, um dadurch Hardware-Kosten und Management-Aufwand zu sparen. SAP ermutigt zu diesem Schritt mit seinem Angebot „Rise with SAP“, das den Umstieg erleichtern soll.
Herausforderungen für die QA/BA vor und nach der Migration
Sowohl der Wechsel zu S/4HANA als auch die Cloud-Transformation bedeuten einen großen Umbruch, der sich auch auf die Quality Assurance (QA) und Business Assurance (BA) auswirkt. Schon heute erstrecken sich Geschäftsprozesse in den meisten Unternehmen über ein komplexes Geflecht aus SAP- und Nicht-SAP-Anwendungen. Jedes Update und jedes Upgrade muss aufwändig in allen Verknüpfungen getestet werden. Dabei reicht es nicht aus, eine Funktion isoliert zu betrachten. Um zu prüfen, ob ein Prozess über alle Glieder der gesamten Kette hinweg funktioniert, sind Ende-zu-Ende-Tests nötig.
Insbesondere vor der Migration zu S/4HANA und in die Cloud ist der QA/BA-Aufwand hoch. Unternehmen müssen vorab Risiken identifizieren und sicherstellen, dass die Geschäftsprozesse in der neuen Welt noch funktionieren. Viele nutzen den Umstieg zudem als Chance, wieder stärker zu SAP-Standardfunktionen zurückzukehren und ihr Customizing zu überarbeiten. So ist es nicht verwunderlich, dass häufig mehr als 60 Prozent des Aufwands bei der Migration auf die Quality Assurance entfallen. Eine gute QA/BA-Strategie ist daher wichtig, um die Transformation schneller und kostengünstiger zu bewältigen.
Geradezu unverzichtbar wird ein agiles, effizientes Testing aber nach der Migration. Denn in der Cloud stellt SAP in viel kürzeren Release-Zyklen Updates bereit als On-Premises. Kunden profitieren dadurch zwar kontinuierlich von neuen Funktionen und Innovationen. Das bedeutet aber auch, dass sie mehr und häufiger testen müssen. Der QA/BA-Aufwand erhöht sich also um ein Vielfaches.
Warum QA und BA so wichtig sind
Auch wenn die Anstrengung groß ist, können es sich Unternehmen nicht leisten, die QA/BA zu vernachlässigen. Denn die Risiken sind hoch. Wer seine Software, Updates und Upgrades nicht sorgfältig testet, läuft Gefahr, Nutzer zu verärgern. Kunden haben heute wenig Verständnis dafür, wenn eine Applikation abstürzt oder zu lange Ladezeiten hat. Sie wandern dann schnell zur Konkurrenz. Genauso geschäftsschädigend ist eine schlechte User Experience bei unternehmensinternen Anwendungen, da sie die Mitarbeiter demotiviert, die Produktivität beeinträchtigt und Kosten in die Höhe treibt. Besonders gravierend wirken sich Probleme im SAP-Umfeld aus, denn es bildet das Rückgrat der Kern-Geschäftsprozesse, die auf keinen Fall ausfallen dürfen. Auch die Daten müssen sorgfältig getestet werden – sonst könnten falsche Rechnungsbeträge oder falsche Wareneingänge die Folge sein.
Manuelles Testing ist für die Cloud nicht geeignet
Wie gelingt es, die hohen Anforderungen an die QA/BA in einem dynamischen Cloud-Umfeld zu erfüllen? Traditionelle Strategien stoßen hier an ihre Grenzen. Die meisten deutschen Unternehmen testen immer noch manuell. Sie lassen SAP-Updates zunächst von ihren Business-Usern prüfen. Anschließend folgt eine intensive Hypercare-Phase, in der Entwickler und Projektmitarbeiter in Bereitschaft stehen, um dringende Probleme zu beheben. Dieser Prozess ist langwierig, teuer und bindet viele personelle Ressourcen. Außerdem wissen die Tester meist nicht, wo die größten Risiken liegen und welche Testfälle sie priorisieren sollen. Das führt dazu, dass in der Regel zu viel und zu wenig fokussiert getestet wird, was den Aufwand zusätzlich in die Höhe treibt.
Mit dieser Teststrategie lassen sich weder eine schnelle Migration noch kurze Release-Zyklen meistern. Man bräuchte endlos viel Personal – und selbst dann könnten die QA/BA-Prozesse nicht mit der Agilität der Cloud Schritt halten. Vielmehr ist ein neuer Ansatz gefragt, um das Testing effizient in schnelle Release-Prozesse zu integrieren.
Möglich wird das mit einer Plattform-Lösung, die KI-gestützt analysiert, was getestet werden muss, und Ende-zu-Ende-Tests über SAP- und nicht SAP-Systeme hinweg automatisiert. Eine Herausforderung ist dabei, den Datenschutz zu gewährleisten. Denn um einen Testfall durchzuspielen und aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen, braucht man realistische Daten, darf diese aber nicht einfach aus dem Produktivsystem entnehmen. Um DSGVO-Compliance zu gewährleisten, muss die Lösung synthetische Daten erzeugen oder Produktionsdaten maskieren.
Diese Vorteile bringt Testautomatisierung
Mit einer solchen KI-gestützten Testautomatisierierungs-Plattform können Unternehmen ihren Testaufwand um bis zu 84 Prozent reduzieren, so die Forrester-Studie „The Total Economic Impact of SAP Application Testing Solutions by Tricentis“. Indem sie ihre Automatisierungsrate auf bis zu 90 Prozent steigern, können sie 25 Prozent der Testing-Kosten sparen – bei langwierigen Performance-Tests sogar 99 Prozent, da hier statt 20 Personentagen nur noch eine Arbeitsstunde pro Testzyklus nötig ist, um relevante Ergebnisse zu erzielen. All das bringt einen enormen Geschwindigkeitsgewinn: Insgesamt können Unternehmen ihre Application-Release-Rate um bis zu 300 Prozent steigern. So sind sie in der Lage, selbst mehrere Updates pro Tag problemlos zu testen. Damit wird die QA/BA nicht nur fit für die Cloud – die automatisierten Testprozesse ermöglichen es auch, die SAP S/4HANA-Migration schneller und kostengünstiger durchzuführen.
Unterstützung von externen Dienstleistern
Um die QA/BA zu transformieren reicht es jedoch nicht aus, allein die richtigen Tools einzukaufen. Unternehmen müssen die neue Technik auch implementieren, ihre Mitarbeiter schulen und Prozesse abstimmen. Dafür empfiehlt es sich, mit einem spezialisierten Dienstleister zusammenzuarbeiten. Er kann helfen, eine geeignete Strategie zu entwickeln und im Unternehmen einzuführen. Bei der Wahl des Anbieters sollte man darauf achten, dass er die modernen Automatisierungsmöglichkeiten kennt und über entsprechende Partnerschaften mit Herstellern verfügt. Er sollte nicht nur innovative Lösungsvorschläge bringen, sondern auch wissen, wie man sie am besten umsetzt.
Eine große Bank in den USA hat zum Beispiel gemeinsam mit externen Dienstleistern und den Spezialisten von Tricentis eine neue QA/BA-Strategie entwickelt und umgesetzt. Früher hatte sie 18.000 QA-Mitarbeiter und viele verschiedene Tools im Einsatz. Die meisten Tests erfolgten manuell. Die Bank suchte nach einer Möglichkeit, ihre Release-Geschwindigkeit zu erhöhen, ohne immer noch mehr Leute einzustellen. Dank der Testautomatisierung konnte sie ihre Performance erheblich steigern und dabei die Zahl der benötigten Tester auf 10.000 reduzieren. Dadurch haben Mitarbeiter wieder mehr Zeit, sich um andere Aufgaben zu kümmern.
Fazit: QA/BA in die Cloud-Strategie integrieren
Manuelles Testing war schon immer ein Nadelöhr bei Release-Prozessen. Im Hinblick auf die SAP S/4HANA- und Cloud-Transformation wird es zum Hindernis und zum Risiko. Deshalb sollten Unternehmen ihre QA/BA-Strategie am besten schon vor der Migration auf die Anforderungen der neuen Umgebung abstimmen. Dafür brauchen sie Tools zur Testautomatisierung, müssen ihre Mitarbeiter qualifizieren und entsprechende Prozesse etablieren. Nicht zuletzt ist ein Umdenken gefragt: Allzu oft rückt QA/BA erst in den Fokus, wenn bereits eine Panne passiert ist. Stattdessen sollten Unternehmen das Thema von Anfang an in ihre Cloud-Strategie integrieren. Denn eine sorgfältige, agile und kosteneffiziente QA/BA ist entscheidend für den Geschäftserfolg.
Zur Autorin
Viktoria Praschl, VP Sales Central Europe bei Tricentis
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